Dr. Hanno Loewy: „Totem und Tabu Israel „ausstellen“ im Museum“

      

25. September 2019. Dr. Hanno Loewy: Totem und Tabu Israel „ausstellen“ im Museum

Jüdische Museen in Europa machen zumeist einen Bogen um Israel. Allenfalls werden dann und wann israelische Künstlerinnen und Künstler ausgestellt, doch große thematische Ausstellungen bleiben bis heute eher eine Seltenheit.

Und wenn, dann sind Ausstellungen über Israel und Palästina immer wieder ein Politikum. Einerseits spiegelt sich darin die Polarisierung israelischer Innenpolitik – und die grundlegende innerjüdische Debatte um Diaspora und Nationalstaat. Doch seitdem rechtspopulistische Politiker in Europa und den Amerikas ihre Liebe zum „nationalen Projekt“ der Juden entdeckt haben, wird auch in der nichtjüdischen Öffentlichkeit das Bild Israels zum heiß umkämpften symbolischen Gelände – in dem es schon lange nicht mehr nur um traditionelle antisemitische Vorurteile geht. Seitdem der Islam als neues und zugleich traditionell aufgeladenes Feindbild in Europa entdeckt wird, ist der Staat Israel zum wohlfeilen Einsatz in den politischen Kontroversen der Gegenwart geworden: um ethnischen Nationalismus vs. offene Gesellschaft, um liberale vs. illiberale Demokratie, um die Rhetorik des christlich-jüdischen Abendland, die gegen Einwanderung und Asyl für Flüchtlinge in Stellung gebracht wird. Wenn jüdische Museen sich auf das Territorium dieses Minenfelds begeben, ist öffentlicher Streit nicht weit – und er kreist um viele Fragen zugleich: Wieviel Kritik an Israel ist „erlaubt“? Welche Aufgabe hat ein Museum? Und was überhaupt ist „jüdisch“ an einem „Jüdischen Museum“ das mit öffentlichen Mitteln betrieben wird und im öffentlichen Auftrag agiert?

Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, reflektiert am Beispiel einiger Ausstellungen und sich an ihnen entzündender Konflikte unterschiedliche Strategien der Annäherung an eine offenkundig umstrittene Materie.

Hanno Loewy, geb. 1961 in Frankfurt, Dr. phil. Film- und Literaturwissenschaftler. Von 1995 bis 2000 Gründungsdirektor des Fritz Bauer Instituts für Holocauststudien in Frankfurt, seit 2004 Direktor des Jüdischen Museum Hohenems. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Jüdischen Geschichte und Gegenwart, zur Film- und Medientheorie, zur Fotogeschichte und zur Geschichte und Rezeption des Holocaust. Darunter: Holocaust: Grenzen des Verstehens (Reinbek 1992), Taxi nach Auschwitz (Berlin 2002), Béla Balázs: Märchen, Ritual und Film (Berlin 2003), Gerüchte über die Juden. Antisemitismus, Philosemitismus und aktuelle Verschwörungstheorien (Essen 2005), Hast Du meine Alpen gesehen? Eine jüdische Beziehungsgeschichte (mit Gerhard Milchram, Hohenems 2009), Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack & Vinyl (Hohenems 2014)